Infusion 2

Heute war es wieder so weit.
Stammleser erinnern sich an diese Geschichte: Wo ist mein Mantel?
Heute stand nun die 2.Infusion an. Natürlich nicht das gleiche Präparat, ich bin ja nicht irre ;)  Aber schlauer. Habe mir ein Hinbringe- und Abhol-Kommando organisiert. Gebracht hat mich mein lieber Sohn und Admin :kiss:  und abgeholt eine gute Freundin aus dem realen Leben (kein Link, sowas gibt’s auch! 8O , kein Blog, kein Twitter!!)
Die Schwestern konnten sich noch gut ans letzte Mal erinnern, daher war ich unter strenger Beobachtung.
Also: Überpünktlich da gewesen, kein Vorteil, erstmal nur rumgesessen, war auch kein weiterer Stuhl im Wartezimmer übrig. Währendessen machten manche Leute sich und anderen das Leben schwer: Kommt so ein Krankentransporter und holt einen Patient ab. Wird von der Schwester gefragt „Nehmen Sie auch Herrn X mit?“ er: „Nö, keene Zeit, hab ooch schon ’n Folgeauftrag, nehme nur Frau Y mit“ und geht.
Kommt Herr X (gaanz niedlicher, dünner, bescheidener Opi) und fragt die Schwester „Kann ich da nicht gleich mitfahren?“ Schwester: „Nein, er hat gesagt, er kann nicht, er hat noch andere Termine, setzen Sie sich mal hin, ich rufe an, dann werden sie sicher auch bald geholt.“
Schwester ruft die Krankentransport-Firma an und sagt dem Opi „Er kommt doch noch mal zurück, geht gleich los.“ Opi ganz besorgt „…aber er hat doch keine Zeit… wegen mir… der arme…auweia..jetzt schafft er wegen mir die Termine nicht…“ Dann kommt der Typ zurück, muffelt rum und rennt dann so schnell mit dem Opi los, dass dieser kaum mitkommt. Der unglückliche Opi also hinterher.
Muss sowas sein? Die Menschen, die in einer onkologischen Arztpraxis behandelt werden, sind nun schon nicht sooo gesund. Und können nicht alle mal ein wenig mitdenken? Muss man sich und anderen immer das Leben schwer machen? Hätte der doofe Fahrer nicht wenigstens selbst in seiner Firma nachfragen können, ob Herr X mit soll oder ob jemand anderes kommt? Sowas ärgert mich. Andere würden dessen Job bestimmt gern und wohl besser machen, mit mehr Menschlichkeit.

So, irgendwann werde ich reingewunken und hab ein wenig Pech. Heute erwische ich nur so einen „Notstuhl“. Ein Stuhl halt, kein Relax-Sessel. Kurz grummel. Aber nach einem Blick in die Runde nix mehr grummel. Man, bin ick gesund! (Info für Neuleser: ich bekomme nur eine Eisensubstitution).
Also, will Arm rausbasteln: Panne (1). Hab mich extra dicker angezogen, hatte letztes Mal gefroren. Nun entpuppt sich der lange Ärmel des Shirts (unter der Strickjacke :oops: ) als böse Falle; lässt sich nicht hochschieben (wegen der Flexüle), ist einfach zu eng. Also muss ich ganz raus aus dem Ärmel. Nun aber Überraschung: die Schwester legt die Flexüle nicht 8O (Ich frag aber nicht, warum, will ja keinen Ärger). Also auf den Doktor warten. Kommt irgendwann, rumms, rin, sitzt. Ran die Pulle. Panne 2: manno, is det warm hier! Nun bin ich aber angezogen wie ich bin und kann wegen Flexüle und Strippe Strickjacke nicht ausziehen. Also heute nicht frieren.

Viertelstündlich stecken verschiedene Opas den Kopf rein und fragen nach der „passenden“ Oma. Überall scheint es heute etwas schwergängig zu laufen, werden die Opas vertröstet.

Einer recht jungen Frau geht es offenbar sehr schlecht, sie sitzt mir schräg gegenüber. Sie bekommt eine Bluttransfusion. Das wird zwischen den verschiedenen Behandlungen gern verabreicht, wenn die Blutwerte sehr schlecht sind (hab ich letztes Mal gelernt). Auch bei ihr läuft es heute sehr langsam. So hat sie es sehr eilig, als sie endlich fertig ist. Keiner achtet darauf. Sie schleppt sich mehr weg als dass sie läuft. Schleicht an allen vorbei und weg ist sie. Eine Viertelstunde später steht ein hübsches junges Mädchen in der Praxis und fragt nach ihrer Mutter. Will sie abholen. Aber sie ist weg.

Neben mir sitzt eine ältere Dame, offenbar Chemo-Profi. Was sie alles mit hat. Kann sie als Chemotherapie-Equipment patentieren lassen. ;) Lektüre, Proviant, sogar Besteck, zum Schluss wird noch ein Apfel geschält… Donnerwetter, und das alles in der kleinen Handtasche! Zauberei! Als diese Frau fertig ist, sagt sie, ich könne ihren Sessel nehmen, aber ich spreche die Schwester an, ob sie dies nicht einer alten Frau anbieten will, die ein Stück vor mir (und schon viel länger) auf einem ähnlich blöden Stuhl wie ich sitzt. Diese nimmt gerne an. Ich bleibe auf meinem „blöden“ Stuhl (und dies dann heute bis zum Schluss.. man, bin ich gesund!)
Meine Infusion ist schnell durch, aber wie vorher schon angesagt soll ich zwei Stunden zur Beobachtung bleiben (wegen der Nummer letztes Mal… :-? )

Ich lese ein Buch, muss mehrmals laut loslachen… gucke mich schnell voller schlechtem Gewissen um: so viele sehr kranke Menschen und ich lache hier…. aber weit gefehlt, alle lächeln mich an, überhaupt trieft niemand in Selbstmitleid. Wem es schlecht geht, der sagt nix, ein älterer Mann schläft ungerührt, die anderen schwatzen über Hunde, Kinder, Medikamente, zeigen sich (Handy-!) Fotos, lachen….
Ja, ich weiss auch aus meiner Berufserfahrung; kranke Menschen leben intensiver, partiell fast besser. Auf jeden Fall bewusster. Und „unter sich“, wenn alle im selben Boot sitzen, muss keiner irgendwas vorspielen. Wie sind deine Leukos heute? Ach herrje, und da lebst du noch? (lachend).
Eine Dame hat einen jungen Hund zu Hause. Als es heute so lange dauert macht sie sich Sorgen, was er inzwischen alles zerlegt ;) Eine sehr kranke Frau und ein junger Hund? Optimismus, Egoismus?

Ja, es ist eine kleine eingeschworene Truppe. In einem Boot. Und ich weiss nicht, bin ich ein blinder Passagier? Hab ich ein Beiboot? Ich fühle mich ein wenig wie ein Spion, oder wie ein Fremdling. Aber wie schnell sitzt man doch mittendrin! Krebs kriegen nicht immer nur die anderen! Können nicht die Gesunden schon mal ein wenig „Kranksein“ üben, oder wenigstens versuchen, die Welt so zu sehen, als wäre nicht alles selbstverständlich?

Ich hab heute alles gut vertragen und meine Freundin erscheint ziemlich zeitig. Zum Beweis meines Wohlbefindens hüpfe ich vorm Doktor auf und ab ( der denkt jetzt sicher, das Zeug geht in den Kopp :lol: ) und ich darf gehen. Weitere Termine für nächste und übernächste Woche. Höhere Dosis. Es bleibt spannend. Und das Leben ist schön.

    • GZi sagt:

      Ja, das Leben ist schön! Das, was Du dort erlebst und gedacht hast – Können nicht die Gesunden schon mal ein wenig “Kranksein” üben, oder wenigstens versuchen, die Welt so zu sehen, als wäre nicht alles selbstverständlich? – habe ich auch so oft gedacht, als ich meine Großmutter und Mutter begleitet habe, auf ihrem Weg, der sehr schwer war in ihren letzten Jahren und vor allem Wochen. Jedenfalls, wenn ich dann im Umfeld von den „Sorgen, Nöten, Dramen“ gehört habe. Es kommt auf den Blick drauf an und Dankbarkeit und Demut stünden vielen von uns sehr gut zu Gesicht…

    • mikmups sagt:

      ;) Ich freue mich für dich, dass es zu keinen Komplikationen kam. Sollten also folglich die nächsten Termine auch gut ablaufen. Schön und beruhigend war es doch auch für dich einen so netten Hol-und Bringedienst zu haben. Auf weiteres gutes „Wohlbefinden“ :kiss:

    • Nila sagt:

      Wo ist mein Mantel, hat mich damals schon sehr berührt. Genauso wie diese kleine Geschichte aus deinem Leben. Ja, das Leben ist sooo schön. Warum vergessen wir das immer so oft??
      Ich freue mich zu lesen, dass diesmal alles gut gegangen ist . Alles Liebe und ein sehr nachdenklicher Gruss ;)

    • Miki sagt:

      @Gesa
      Es gibt leider viele Menschen, die solche Themen gedanklich und auch im Leben verdrängen. Wie diejenigen das machen, weiß ich auch nicht, man kann doch nicht immer nur denken „mir passiert sowas nicht“…
      @mikmups
      Ich hoffe auch, allerdings wird die Dosis verdoppelt….
      @Nila
      …wir vergessen es in Stress und Geschäftigkeit… aber deshalb ist es doch gut, wenn man sich auch mal Gedanken darüber macht….und dann erst sieht man doch, wie schön das Leben ist… oder sein kann… :-)

    • Nabend, schön geschrieben, und wie Recht du mit dem text hast, nur noch eine Frage, bin ja noch nicht so lange dein Leser. Warum bist du da? gebs ja zu bin neugierig, aber man darf sich vor Tatsachen nicht verstecken, auch wenn das das einzige Versteckspiel is wo ich gewinn ;)

      cu an other time
      on an other place

      der bagalutenGregor

    • Miki sagt:

      @bagalutenGregor
      Ich hab „nur“ schlechte Blutwerte, Eisen unterirdisch und dadurch auch der HB tief im Keller. Da ich die Tabletten und Kapseln überhaupt nicht (mehr) vertrage, wusste meine Internistin sich keinen Rat mehr und jetzt wird mir das Zeug venös verpasst. Gibt auch schon Fortschritte, nähere mich laaangsaaam der unteren Normgrenze. :-) Und nach dem „warum“ lasse ich nicht suchen. Bin kein sehr braver Patient. :sorry:

    • Puh, dachte schon schlimmeres, aber trotzdem mit niedrigen Eisenwerten is nicht zu spaßen kenn mich da aus. Nur zum Glück bei mir wirken die Tabletten und der Genuss von Caschew kernen seit dem ich weiß wie der Körper eisen Verarbeitet.
      gute Besserung

      cu an other time
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      der bagalutenGregor


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