Freund oder Feind?

Der Alkohol.

Ein Genussmittel. Und ich habe phasenweise im Leben zu viel davon genossen. Und zu früh.

Aber ich habe es gewusst, vielleicht ist das ein Vorteil?

Ich will es kurz machen (netter Versuch ;) ). Mein Vater war Alkoholiker. So einer, dem man es „draußen“ nicht unbedingt anmerkte; „lasst den armen Kerl doch mal sein Bierchen trinken!“ (ist doch kein Schnaps! und Alkoholiker trinken doch Schnaps! oder?). Aber „drinnen“ bestimmte das Bier den Tagesablauf (der Familie). Ausflüge mit dem Auto? Höchst ungern und schnellstmöglich nach Hause. Und dann gleich an eine der vielen versteckten Bierflaschen…das war schließlich immer da… im Keller…in der Garage…und noch ein paar „offizielle“, genannt „Feierabendbier“, „Sportschaubier“… ich hör jetzt auf, weil ich mich sonst nur aufrege. (Aufregen tut mich, dass er es nie eingesehen hat, er wäre kein Alkoholiker, fertig!).
In meinem Unterbewusstsein ist so vielleicht angekommen, dass man so Probleme verkleinern kann, der Trugschluss des Jahrhunderts, aber an Alkohol „rangekommen“ bin ich ganz anders: ich war immer ein Süßschnabel und Schokolade & Co. waren rar. Aber man fand bei uns schon mal ein Glas Kirschkompott, selbst eingeweckt, so als Kompromiss. Und irgendwann fand sich in der Speisekammer so ein Riesenkübel hochprozentig eingelegte Kirschen an. Schön süß. An die hab ich mich rangeschlichen und manchmal genascht. Problem: die Kirschen wurden weniger, der „Saft“ drumrum blieb. Also hab ich den auch gekostet, der war lecker. Und dann ging es einem gut, die Laune stieg. :oops: Die Freundin wurde dazu geladen (das alles nicht jeden Tag, nur wirklich selten, ist nicht aufgefallen, aber der Schwund im Riesen- Fass fiel auch nicht auf).
Nun konnte man ja in der DDR nicht wirklich tolle Süßigkeiten kaufen, vieles schmeckte nicht, Bambina gab es nur manchmal, Deli- Schokolade zu teuer…aber: Likör gab es immer. Also haben besagte Freundin und ich uns schon mal eine Flasche Eierlikör gekauft und weggezischt. (Wie gut, dass wir beide nicht viel Taschengeld hatten, lass uns 14 gewesen sein). Später Kirschlikör und Nusslikör… ich schwöre: hab ich danach nie wieder getrunken -örgs- Lebens“soll“ erledigt.
So fing das an.
Ich wollte es ja kurz machen; im Teenageralter sind wir (wie die allermeisten) in Clubs und Discos unterwegs gewesen und waren da durchaus trinkfest. Sehr trinkfest.
Nun passierte etwas, was ich Schicksal nenne: mit 17 Diabetes, mit 18 geheiratet, mit 19 Mutter. Sehe ich heute zusammenhänglich, ohne den Dia hätte ich mich wohl nicht so jung gebunden, aber egal…bzw. Schicksal.
Ich kann nicht sagen, dass ich nun keinen Alkohol mehr mochte, aber der Rahmen war ja nun anders, zu Anlässen, zu Feierlichkeiten…klar. Und dann keine halben Sachen…hach…lustig war’s.
Nach meiner Ehe war ich auch wieder in Discos unterwegs (war ja unter 30 sei zu meiner Verteidigung gesagt), aber viel Alkohol ging da nicht, weil mit Auto. Gute Bremse.
Zu der Zeit war mein Konsum völlig im Rahmen; zu Feierlichkeiten, halt wenn was los war, wenn Besuch da war, Dinner for two, wie es eben so ist.
Viel und viel zu viel wurde es innerhalb der nächsten Partnerschaften. Mit dem 2. Versuch hatte Haus bauen geklappt, mehr nicht. Saufen ging aber auch. Lustiges Ritual: jeden Sonntag-Abend haben wir uns richtig eingeschenkt, darauf haben wir uns dann schon immer gefreut. Himmel hilf, das könnte ich heute gar nicht mehr! Im Nachgang: Diagnose Frust.
Die nächste Liebe war so organisiert, dass jedes Treffen ein Event war. Und Events feiert man wie? Richtig! Ich musste da aber auch immer ein bissel die Realität ausknipsen, denn es endete ja immer mit Abschied. Es war eine tolle Zeit, aber Alkohol gehörte eben auch fest dazu. Wenigstens musste mich Kumpel Alkohol „dazwischen“ nicht trösten, sonst wäre das wirklich schief gegangen. Ich spreche hier von 6 Jahren.
Und nicht viel später lernte ich meinen Pirat kennen. Und der trinkt auch gern einen weg! :oops:
Bei mir war es zwischenzeitlich so, dass ich ohne Alkohol nicht so richtig in den Feierabend- Modus umschalten konnte. So ein guter Schluck (und mit dem Pirat war die Preisklasse deutlich gestiegen) ist doch was schönes…und einer mehr noch mehr. Guter Wein, guter Sekt, leckere Cocktails… als Genussmittel konsumiert alles gut, aber wo ist die Grenze?
Gewichtstechnisch war es sowieso schwierig, aber immer mehr sah ich es kritisch.
Nun hab ich den „Vorteil“, dass ich seit 20 Jahren eine Ärztin meines Vertrauens habe, zu der ich auch vierteljährlich gehe. Sie habe ich mal darauf angesprochen, da fragte sie so: „Wieviel denn?“. Ich so: „Naja, am Wochenende so 2 bis 3 am Tag“. Da sagt sie so: „Naja, am WE 2 bis 3 Gläser, das geht schon.“ Ich: “ Flaschen, Frau Doktor, Flaschen!“ (Und da hab ich verschwiegen, dass es auch in der Woche nicht ganz trocken zu ging).
In dieser Zeit hab ich mir wirklich Sorgen gemacht. Ist er schon mein Feind? Schon wegen dem langsam stetig steigendem Gewicht wollte ich sowieso reduzieren, aber geht das?
Wieder mal hat mir mein Körper geholfen, so ziemlich plötzlich hatte ich am nächsten Tag oft Kopfschmerzen. Üble Kopfschmerzen. Das hat geholfen. Erst die Menge reduziert und dann hat es mich völlig abgehalten. Aus dem „schlimmsten“ Modus bin ich so rausgekommen. Wenn man immer überlegen muss, ob man sich wirklich den Folgetag versauen will, fallen ganz vernünftige Entscheidungen. Das ging auch nicht von jetzt auf gleich (manchmal gab es die Kopf- Keule auch nicht), aber es hat schon viel gebracht.
So hat sich das erst wirklich auf das Wochenende und bald auch nur auf einen Tag davon (Menge sowieso!) reduziert. Und irgendwann nicht mal an jedem. Übrigens trinke ich „auswärts“ (auf Dienstreisen) gar keinen Alkohol, sondern nur in geschütztem Raum oder mit vertrauter Begleitung. Das hat dann aber auch mit dem Diabetes zu tun. Kennt jemand die tragische Geschichte vom Sohn von Joachim Fuchsberger?
Das Problem hat sich jedenfalls langsam gelöst. Naja… ich neige immer noch dazu, dass es mal zu viel ist, das letzte Mal ist mir das heftiger denn je letztes Jahr Silvester passiert. :sick:
Aber der Alkohol ist mein Freund geblieben!
Ich schreibe das hier, weil ich sehr froh darüber bin. Und denke, dass ich da Glück hatte. Es war viel. Sehr viel. Und die Vorzeichen standen wohl nicht auf sehr günstig.
Ich muss noch dazu sagen, dass ich (gleich nach meiner Ehe) eine on-off- Beziehung mit einem langjährig trockenen Alkoholiker hatte, der mir viel Schlaues dazu sagen konnte. Mir geholfen hat, was meinen Vater betrifft und mich auch schon damals für mein „Problem“ sensibilisiert hat ohne zu schulmeistern. Hilfreiche Tipps gegeben hat und mir ein paar Mechanismen aufgezeigt hat.
Und meine „1. große Liebe“ hat sich totgesoffen. Und er hat damals schon getrunken. Ich glaube, es ist gut, dass wir uns nicht „gekriegt“ haben. Seine Frau ist inzwischen trocken (ich bin nicht mehr aktualisiert, aber ich denke, es ist und bleibt so) und er ist tot.

So, und ich mag Statistik! Ich hab ein wachsames Auge auf meine Ernährung und im Zuge dessen ist auch der Alkohol „erfasst“.
Bis heute hab ich 2020 an 53 Tagen Alkohol getrunken. Und ich sag mal, davon war ich vielleicht geschätzt 5x „betrunken“ (war ich „früher nach Flasche 2…oder so), habe also eine Flasche Wein getrunken, ansonsten eher ein Glas, selten zwei. Der Pirat macht so einen vorzüglichen Glühwein, den gab es jetzt an und um Weihnachten 3x und die Tassen sind sooo groß und da „muss“ man einfach Nachschlag nehmen :oops:

Und 1x war es ein Mädelsabend (mit Abholkommando Pirat), da war es viiieeel Sekt:

Und wenn ich 1:1 Wasser dazu/danach trinke, geht es auch meist gut. Und manchmal riskiere ich es eben doch.

Aber er ist jetzt das, was er sein soll: ein Genussmittel. Hab ich in den schlimmsten Zeiten vielleicht an 53 Tagen im Jahr nichts getrunken (und an 312 gebechert) und heute umgekehrt, dann ist das wirklich ein Sieg. Ich musste nicht den Alkohol „besiegen“ und aus meinem Leben streichen, sondern „nur“ den Schweinehund besiegen. Und ich sag es noch mal; dafür bin ich dankbar.

Vielleicht liest das ja mal jemand, dem das hilft oder gibt einen Denkanstoß.

Ich wünsche euch jedenfalls einen guten, besser beschwingten als besoffenen :lol: Rutsch aus diesem seltsamen Jahr raus hinein in ein gutes neues Jahr 2021! Passt auf euch auf!

Eure Miki

    • Martin sagt:

      Sehr interessantes Thema, das Du hier ansprichst. Die meisten Artikel und Meinungen zum Thema „Alkohol“ gehen in die Richtung „lass bloß die Finger davon, jeder Tropfen ist zu viel! Wenn du Alkohol trinkst, bist du ein Alkoholiker!“. Aber nein, Du teilst hier eine andere Sichtweise, die ich gut finde: Du verteufelst das Ganze nicht direkt.

      Ich gebe ehrlich zu, dass ich oftmals ein Bier neben mir stehen habe, wenn ich einen Blogartikel schreibe. Hört sich komisch an, aber ich werde dann kreativ. Blöd nur, dass Alkohol ungesund ist. Aber wenn man nur so viel davon trinkt, dass man gesundheitlich damit klar kommt – ist das dann auch noch ok? Ich weiß es selbst nicht.

      Ich assoziiere „Feierabend“ auch mit „Bier dazu!“. Blöd, aber ist so. Langjährige Verhaltensweise.

      Du merkst vielleicht, ich weiß nicht so recht, wie ich meine Gedanken ausdrücken soll. Vielleicht schreibe ich mal was darüber… Schwierig auszudrücken das alles.

      • Miki sagt:

        Hallo Martin, mein Artikel war ja nur „geschriebenes Denken“… und siehst du, das mit dem Denkanstoß hat geklappt! Denn vom drüber Nachdenken ist es bis zum Überdenken und vielleicht sogar Korrigieren gar nicht so weit.
        Ich bin gespannt, was du so darüber schreibst, das etwas sortiert auszudrücken fand ich gar nicht so einfach. Aber schön, dass es bei dir angekommen ist.
        Und eine Erfahrung von mir (mit anderen): wer noch bereit ist, darüber nachzudenken, sitzt noch nicht zu tief in der Tinte.
        Viele Grüße zu dir!


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