Schlagwort: krankenschwester

Die Zeiten ändern sich – leider

Ich bin es echt leid.

Mein Job hat mir mal Spass gemacht. Grundsätzlich. Egal in welcher Firma.

Aber inzwischen KANN es gar keinen Spass mehr machen.

Meine Kunden sind nämlich nicht einfach Kunden, die ein Produkt kaufen möchten.

Meine Kunden sind Krankenversicherte. Meist gesetzlich. Und da muss der Kunde eben nehmen, was die Krankenkasse genehmigt. Wie weit das manchmal von den tatsächlichen Bedürfnissen entfernt  ist, mag ich hier gar nicht beschreiben.

Dann noch die Bin-doch-versichert und Alles-umsonst-Einstellung. Geld für Gesundheit ausgeben? Nö. Lieber einen Riesen-Fernseher kaufen. Oder den Enkeln was zustecken.

Und ich muss mich – bzw. die Firma – immer verteidigen, warum es das eine oder andere Produkt nicht auf Rezept gibt. Oder überhaupt, was soll die blöde Zuzahlung (Rezeptgebühr)? Frag ich mich auch, aber WIR haben nichts davon, außer einen schrecklichen Verwaltungsaufwand. Einstreichen tun es die Kassen. Wir treiben es nur ein. Für die Kassen.

Ich bin also fachfraulich auf der Höhe, kenne die Produkte und die Bedürfnisse. Und kann das richtige Produkt nicht liefern oder nicht in der nötigen Menge, weil die Richtlinien dafür von Schreibtisch- Theoretikern erdacht worden sind.

Und wenn mal eine Produktgruppe nicht davon betroffen ist, verordnen die Ärzte nicht, weil es das Budget belastet. Große Teile der noch amtierenden Ärzte haben den Beruf offenbar aus Geldgier gewählt. (Aber ausgerechnet diejenigen, die für ihre Patienten eine gute Versorgung sichern wollen, werden oft noch in Regress genommen)  :sick:

Tja, und weil in der Branche wirklich mal gut Geld verdient wurde, ist die Erwartungshaltung  immer noch sehr hoch. Das (mein!) Auto am besten ein Selbstbedienungs- Bauchladen. Für jeden was dabei! (Hätte ich auch gern!) In rauen Mengen! Und noch ein paar Schreibblöcke, Kugelschreiber, Kalender… in leitenden Positionen (von kundenbeherbergenden Einrichtungen) werden die Wünsche noch dreister…

Dabei halten auch die Hersteller diesem Preisdumping nicht mehr stand. Produktsegmente werden verschachert, das Personal gleich mit. Kleine Sanitätshäuser und/oder Apotheken schließen die Produktgruppe aus ihrem Sortiment aus. Denn um verschiedene Produkte abgeben zu dürfen, muss man examiniertes Fachpersonal vorweisen können. Macht ja Sinn, dass die Krankenkassenpreise sich oft noch unterhalb des normalen Einkaufspreises bewegen? Die Produktneutralität (bei großer Vielfalt das geeignetste Produkt unterschiedlicher Hersteller zu finden) geht flöten. Die Kunden bekommen das, was die Kasse noch zahlt. Die Forschung bleibt auf der Strecke. Wozu auch, wenn es am Ende keiner bezahlt?

Das macht keinen Spass mehr.

Wo ist mein Mantel?

Ich bin Krankenschwester und begegne im Berufsleben oft schwer kranken Menschen.
Obwohl ich immer nur sehr partiell zuständig bin, da ich ja nicht pflege, sondern nur fachliche produktspezifische Hilfestellung gebe, versuche ich mich einzufühlen und auch Bedürfnisse oder Versorgungslücken zu erkennen, auch wenn sie mir nicht auf dem Tablett serviert werden.
Oft erkenne ich auch, dass ich nur für einen Schwatz und ein paar „Mut-mach-Parolen“ geordert werde, was ich aber nicht verübel, sondern im Gegenteil, das Beste an meiner Arbeit ist.
Trotzdem habe ich immer einen Schutzmantel an. Einen Distanz-Mantel. Damit ich ihn zu Hause, oder besser schon im Auto, auch mal ablegen kann, zu kummervoll und sorgenschwer wäre mein eigenes Leben, wenn ich alles mitschleppen müsste.
Aber heute war dieser Mantel weg…
ArztpraxisIch war Patient. In einer onkologischen Arztpraxis, mittendrin. Guten Tag, Name, Termin, bitte kommen Sie mit, wo möchten Sie sitzen, hier die Flexüle, na die Venen sind ja prima, rumms, rin die Nadel, ran die Flasche, abgefertigt. Zwischendurch wurde aufmerksam geguckt, eine Schwester war immer da, also alles bestens.
Nach und nach kamen die anderen Patienten. Eine alte Dame mit Perücke, bei mir Rubrik „süsse Omi“ dachte, sie tut sich einen Gefallen, nah an der Heizung zu sitzen. Ihr war schrecklich kalt, sie war eingewickelt in Decken. Leider hatte sie übersehen, dass sie einen schlichten, unbequemen Stuhl erwischt hatte und quälte sich zunehmend. Dies quälte wieder mich, aber in der Voraussicht auf mindestens 4 Stunden Infusion wollte ich meinen bequemen Relax-Sessel, den alle anderen auch hatten, nicht eintauschen. Bald wurde aber eine Nachbarin neben mir fertig und diesen Stuhl konnte die „süsse Omi“ dann übernehmen. Und trotz ihrer anfänglichen Stuhl-Misere belustigte sie uns mit Story’s von ihrem „Geist“ zu Hause. Ständig fehlt was, Waschmaschine verstellt, Gewürze auf dem Boden verstreut, brauchbares Essen im Mülleimer. Sie hat derzeit täglich Chemo und wenn sie nach Hause kommt äugt sie erstmal vorsichtig, was sich in ihrer Abwesenheit alles wie verändert hat. Dann setzt sie sich in die Küche um sich abzuregen. Und dann versucht sie, das Chaos in Ordnung zu bringen, während ihr „Geist“ sie fragt, was sie schönes eingekauft hätte, war doch so lange weg? Ich hab auch einen Augenblick gebraucht um zu begreifen, dass ihr Geist ihr dement werdender Mann ist.
Was ist für sie schlimmer, ihre Krankheit oder ihr (Quäl-)Geist?
Eine andere Frau war um die 60, auch mit Perücke, das hab ich aber erst zur Kenntnis genommen, als sie davon sprach, dass die Haare weg wären: „…aber was tut man nicht alles, um zu leben…“. Sie war etwas verständnislos ob der dienstlichen Anrufe, die ich erhielt. In einem Gespräch war mir wohl anzumerken, dass ich unter Zeitdruck stand, die Zeit in der Arztpraxis nur mühsam der Arbeitszeit entrissen… Sie erzählte mir, das Leben sei zu kurz, um sich abzuhetzen, der Körper würde sich wehren, man sollte auf ihn hören… Sie hat ja recht, aber (….)
Ein Opi und sein Elend hat mir das Herz abgeschnürt. Lustige derbe Sprüche, ein Berg Zeitungen…los geht’s. Irgendwie aufgeschnappt: Rückfall, jetzt Lungenkrebs, kennt das Procedere. Haste gedacht! Bei der 2. Tüte kommt die Schwester und erklärt ihm, wegen der Nebenwirkungen (Fingernägel könnten abfallen…) bekommt er Eis- Handschuhe. Erst ungläubig (Witz? hoff?), dann , naja, wird schon gehen… und dann kommt die Schwester mit halben Boxhandschuhen! Da sass er nun, nix Zeitung lesen, nix festhalten, nur Löcher in die Luft starren! Ca. 2 Stunden. Danach tat er mir noch mehr leid, Handschuhe weg, Muttis Vesper-Box raus; lecker Schrippen! Die hätte er nun die ganze Zeit gern gegessen! Von wegen kennt sich aus! Es kann alles immer noch schlimmer werden!
Ich will meinen Mantel wiederhaben!!
Aber alle wurden irgendwann fertig (gab noch mehr…) und ich, die sich am gesündesten vorkam ( bei mir sollte wegen schlechter Blutwerte „nur“ Eisen substituiert werden) hatte jetzt meinen Einsatz! Nach ca. 2 Stunden hatte ich schon Herzschmerzen bekommen, ich hab das dann als „heftiges Seitenstechen in Herzgegend“ definiert. Halbe Stunde Pause. Mist. Ick will hier raus! Danach etwas langsamer (Mist!) aber alles ok. Auf einmal: Rechte Hand schwillt an zur Pauke. Linke Hand zieht nach. In meinen Stiefeln wird es aber eng! Nächste Stufe: alle Gelenke schmerzen und bei Bewegung erwarte ich Knarrgeräusche. Rost? Eisen? Äh? Aha, Aufmerksamkeit erfolgreich auf mich gezogen! Schwester: „so, ich mach sie jetzt ab, den Schluck können wir lassen.. ich hab hier ein Medikament..“ „Welches?“ „Prednisolon“ „Will ich nicht!!“ Rückfrage Doktor. Ergebnis: keine Diskussion! Rin! Und dann zur Beobachtung bleiben. Oh nööö.
„Muss auf Toi.“ „Ja gehen Sie mal, aber schließen Sie nicht ab, falls was passiert.“ Hö? Passiert doch nix. Sollte den Tag den Doc ja nicht sehen. Eigentlich. Aber als ich zu mir kam, war er voll mit mir beschäftigt. Hab meine ganze Länge in einem winzigen Toiletten-Vorraum drapiert. Als ich aufwachte, dacht ich noch „warum liegen meine Beine auf dem Kloo?“ Alles klar. Kreislauf stabilisieren. Den Abgang hab ich total verpasst.
Naja, Miki will natürlich gleich heldenmäßig aufstehen, die Schwestern bringen einen Rollstuhl, setzen mich auch noch rein, dann fehlt wieder ein Stück.
So ging das dann eine Weile, ich dachte es geht..Versuch..schwank… hinleg.
Inzwischen konnte ich mich kaum noch bewegen, alle Gelenke gefühlte Ballons, schwergängig, bei Bewegung sofort schmerzhafter Protest!
Naja, was soll ich sagen. War wohl noch mindestens zwei weitere Stunden vor Ort, das Zeitgefühl ging mir verloren. Zum Schluss waren es ungefähr sieben Stunden. Sieben Stunden, die mein Auto auf dem Gehweg geparkt war, in Friedrichshain! Hab ich mir solche Sorgen gemacht! Und dass sie mich – ohne Abholkommando- nicht so schnell aus der Praxis lassen konnten, war auch klar! Und mein Auto DORT und ÜBERHAUPT allein zu lassen? Nie!! (Treue Leser kennen ja meine Auto-Macke).
Naja, nun hocke ich hier, wusste gar nicht, wieviel Gelenke so eine Hand hat, ALLES tut bei JEDER Bewegung weh, aus den Stiefeln bin ich gar nicht rausgekommen, Füsse dick wie vom Elefant geborgt und die Hände können nicht zufassen! Später hab ich es geschafft, Kaffee kochen ging irgendwie, Stulle schmieren nicht, auch egal…
Aber ich bin froh, auf meinem Sofa zu sitzen, mein Auto vor der Haustür geparkt und alles andere wird auch wieder…
Über’s Fernsehprogramm ärgern? Zeitverschwendung! Wie unwichtig!
An den Opi und die Omi & Geist denken? Ja. Leider. Oder nicht (leider)?

Wo ist mein Mantel???

Mantel

Hauskrankenpflege

Wer diesen Job eine Weile gemacht hat, der kann (besser vorher schon, aber spätestens hinterher ;-)): Auto fahren + einparken, Ofenheizung bedienen, Raubtiere wie Hunde, Katzen und Graupapageien bändigen, über Zäune klettern, sich schnell ducken, alte starrsinnige Leute zu zweckmäßigen Handlungen überzeugen, sich meterlange Einkaufslisten merken, im Dunklen sehen, Riechorgan abschalten, geile Opas in Schranken weisen, Kohlen schleppen, Treppen steigen (!), Haushaltskleingeräte reparieren, mit mittelalterlichen Teilen Staub saugen, in jeder Lebenslage improvisieren…. die Liste kann man beliebig verlängern… es ist also eine Schule für’s Leben und harte Arbeit obendrein. Die fachfraulichen Tätigkeiten, die eine Krankenschwester hauptsächlich tun sollte fehlen hier bewusst, diese haben auch keinen großen Unterhaltungswert.
„Feuerhaken-Opa“ hab ich für mich einen Opi genannt, der noch aus Nachkriegszeiten in einer Behelfsbehausung ohne WC und Bad an sich, ohne Gas- oder E-Herd (wirklich!) lebte und dort (in Berlin- Köpenick) offenbar auch seine Kinder großgezogen hat. Wenn ich zum Mittagseinsatz kam und die beiden insuffizienten Öfen nicht richtig losgelegt haben, kam mir schon der Feuerhaken entgegengeflogen (schnell ducken!!). Ihn hat die Firma dann in einem Winter aus Kältegründen in ein Heim verbracht, eigentlich vorübergehend, er ist aber dann dort geblieben und fühlte sich – nach eigenen Angaben- wie im Paradies.
Bei einer Omi stand ich einmal mit Regenschirm IN der Küche, weil ein Wasserrohrbruch so schnell nicht repariert werden konnte, und essen muss ja schließlich sein. Meine Schuhe waren anschließend allerdings ein hoffnungsloser Fall. Bei derselben Omi übrigens hat vor der Haustür zu meinem Erstaunen ein hellbrauner Marder seine kostenlose Mitfahrgelegenheit (MEIN AUTO!) verlassen.
Einem Opi hab ich, weil er mir permanent in den Ausschnitt glotzte, eines Tages eine Lupe mitgebracht und ihm gesagt, dass er DAMIT vielleicht was zu sehen kriegt… zum einen hat es aufgehört und zum anderen haben wir oft gemeinsam darüber gelacht… :grin:
Bei einer Patientin ging per Bewegungsmelder immer genau dann die Außenbeleuchtung an, wenn man schon durch die Pfütze im wilden Garten ohne befestigten Weg durch war…, auf dem letzten Meter zum Haus konnte man dann schon die permanente Mundatmung beginnen, denn die Dame trocknete die benutzten Windeln immer auf der Heizung…
Eine andere stellte vollurinierte Einweckgläser im Garten unter fast jeden Baum, eine Erklärung blieb sie mir für immer schuldig… diese Frau hatte übrigens ihre Nachbarin und Kartenspielpartnerin durch die über ihre jeweiligen Grundstücke gebaute Autobahn verloren, einfach rechts ein Stück Garten abgezwackt und links ein Ersatzstück drangegeben, Autobahn gebaut und die Besuche waren Geschichte. Nicht ganz, denn als die Damen noch rüstiger waren, sind sie noch drüber geflitzt!! :shock:
Bockige, weil eingefrorene Schlösser von Gartentoren haben ja meist nur den Frühdienst erwischt, eine in (dunklen) Winterzeiten nicht ganz ungefährliche Sache, dann übern Zaun zu klettern, ein eifriger Nachbar hat da mal eine Kollegin auf frischer Tat gestellt…
Mir musste eine Omi aus dem 1.Stock (hochpaterre) einen Stuhl rausreichen, weil ihre garstige Schwiegertochter sie eingeschlossen hatte. Bei meiner Landung auf der Innenseite (so nett kopfüber) schleckte mich erstmal der begeisterte Hund ab.
Brot beim Lieblingsbäcker kaufen, Zeitung mitbringen, Vibrator besorgen (wirklich!), immer nett sein, zuhören, Lieblingstasse merken, kleine und große Macken berücksichtigen…. ich hab es gern gemacht und so lange, wie ich es konnte…
Heute ist es noch schwieriger geworden – ich bewundere die Jungs und Mädels und gewähre den oft gut erkennbaren „Schwestern-Autos“ schon mal Vorfahrt, denn jede Minute, die sie so sparen, kommt vielleicht einem Pflegebedürftigen zugute…

und macht das Leben eine Minute leichter….