Auch aus Mädchen wird… was…

Aus mir auch.

Ich bin ein „Nur- Mädchen“. Mein Vater sagte immer „da fehlt nur ein Stück“ oder „wieder nur ein Breetseecher“… Als kleines Mädchen hab ich das gar nicht so richtig verstanden. Nur gefühlt.

Ich war nie die Tochter, die ihren Vater angehimmelt hat, gibt’s ja auch. Aber für mich gab es nichts zu himmeln…sorry.

Vielleicht hat mich diese Missachtung hart, vielleicht ungerecht und mich vielleicht so ehrgeizig gemacht. Alles will ich sehr gut machen. Und ziehe auch durch, was eigentlich nicht so meins ist. Beispiel: mein ursprünglicher Beruf hat mir nicht wirklich gelegen. Die Ausbildung schon, hab ich auch wie ein Streber abgeschlossen… aber der Beruf an sich…in Menschen rumpieken… gruslig. Skurril: ich hab das trotzdem so gut gemacht, dass ich oft die Wunsch-Piekerin von Patienten war. Kann aber an meinen täglichen Selbstversuchen als Diabetikerin liegen… irgendwie witzig.

Ich hab aber die Dinge, die ich gemacht habe- als Krankenschwester- trotzdem am Ende gern und mit Leib und Seele gemacht; Hauskrankenpflege war fünf Jahre genau mein Ding. Später im Außendienst im Homecare- Bereich und nun schon eine Weile als Vertrieblerin im medizinischen Bereich. Ziemlich optimal. Jetzt genau mein Ding.

Und darauf bin ich stolz.

Als ich Krankenschwester geworden bin, sagte mein Vater verächtlich: „anderen Leuten den Arsch abwischen…“

Er … als Ingenieur..er würde ja „drüben“ (Westdeutschland) sooo viel Geld verdienen… hm… das ist also das Ziel, dachte ich. Viel Geld verdienen. Dickes Auto fahren.

Heute verdiene ich gut Geld, mehr als mein Vater einer Krankenschwester zugedacht hätte, ja, so viel, wie er als Ingenieur …drüben… bekommen hätte… Und ich fahre ein dickes Auto.

Also… Umkehrschluss…wäre er heute nun endlich stolz auf mich?

Weiß ich nicht.

Er ist heute hochgradig dement und pflegebedürftig. Zum einen wünscht sich das Teufelchen in mir, dass er nun merkt, dass er …auf dieses Arsch-abwischen … angewiesen ist. Aber das Teufelchen ist winzig, viel mehr wünsche ich mir, dass er genau das nicht wahrnimmt. Dass diese schreckliche Krankheit gnädig ist und er seine Situation nicht erkennt. Dass das Vergessen flächendeckend ist. Dass er nicht leidet.

Und mir wünsche ich endlich Frieden. Damit.

Ich bin schon stolz, was ich beruflich so geschafft habe…und da geht vielleicht sogar noch was. Aber wirklich „richtig“ stolz bin ich auf meinen Sohn und Glück ist (für mich) den Liebsten an meiner Seite zu haben und Gesundheit. Was das betrifft war 2017 ein strenger Lehrmeister.

Die überholten Ansichten meines Vaters… sind von ihm längst vergessen, zusammen mit seinem gelebten Leben. Wie unnötig, dass ich mich noch darüber gräme. Irgendwie finde ich das jetzt gerade tröstlich; er hat es vergessen. So will ich es auch endlich vergessen. Abhaken. Jetzt.

Also: ich war ein „Nur- Mädchen“.

:teddy:

    • mikmups sagt:

      Ja, ich möchte dich trösten und wünsche „vergessen“ :-* :teddy:

    • Alex sagt:

      Hut ab vor deiner Offenheit. Aber es tut wohl mal gut es geschrieben zu haben. Und du kannst stolz auf dich sein. Du hast es beruflich geschafft, hast einen Mann an deiner Seite und einen tollen Sohn. Das alles wäre zwar nicht zu genießen ohne Gesundheit, aber solange alles mitspielt – einfach weiter so. Und was den Rest anbelangt, versuchen zu vergessen. Und dennoch bleibt es dein Vater und vor allem, du hast dir und ihm es schon lange gezeigt, dass du etwas aus deinem Leben gemacht hast. Und eben nicht NUR so…
      Alles gut! :teddy:

      • Miki sagt:

        Alles gut! Das fasst es schön zusammen! Danke lieber Alex und aufschreiben tat wirklich gut. Irgendwie fühlt es sich jetzt so „abgelegt“ an :oops:
        :teddy:
        Liebe Grüße!

    • Clara HH sagt:

      Miki, da ich ja schon ewige Zeiten nicht mehr auf deinem Blog war, musste ich das gleich und sofort nachholen.
      Ich habe ja meinen Vater nie kennengelernt, da er tödlich verunglückte, als ich 8 Monate klein war. Da er aus der ersten Ehe zwei Söhne hatte, wäre er doch hoffentlich zufrieden mit mir gewesen. Ich glaube, ich ähnle ihm sehr – dass nur aus der Vermutung heraus, dass ich meiner Mutter nur äußerlich ähnlich bin, aber charakterlich gar nicht.
      Lass es dir weiterhin gut gehen mit den zwei tollen Männern und allem anderen drumrum.
      Liebe Grüße von Clara

      • Miki sagt:

        Oh das ist ja nicht schön, sicher auch nicht für deine Mutti. Aber du bist ja auch ohne anwesenden Vater gut gelungen :???:
        Lass es dir auch gut gehen, viele Grüße zurück!

    • Tekima sagt:

      Hat mich sehr berührt. Das Heute ist jetzt und Schmerz von gestern sollte man loslassen.
      Aber wie alles, es gibt da noch eine andere Sichtweise, es erinnert sich jemand an andere Tage, an denen warst du die Tochter, auf die er stolz war, zu der er einen besseren Draht hatte.
      Er hats nicht gelernt, alles richtig zu machen, aber wer hat das schon?

      • Miki sagt:

        Ja, er konnte es nicht besser, das tröstet mich auch. Und niemand weiß, was er noch selbst (ein)gesehen hat, ich wünsche ihm, dass er seinen Frieden mit sich, seinen Fehlern und seinem Leben gemacht hat.
        Wünsche dir einen schönen Advent, viele Grüße Miki :teddy:


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